ANNE-KATRIN ALTWEIN

AKTUELL    STEIN    BRONZE    KERAMIK   GRAFIK    TEXT    VITA    KONTAKT            

Birgit Rauschenbach, EU-Konsultantin/ Kuratorin, 2007

Angebote

bezüglich einer Werteorientierung im Leben findet man in Buchhandlungen und Bibliotheken in den Abteilungen für Philosophie von Platon bis Foucault oder denen für Lebenshilfe. Auch im Gespräch mit nahen Verwandten und Disputen mit Freunden, deren Lebenserfahrung nutzend oder aber in extravaganten philosophischen Zirkeln, wo dialektische Rede geübt wird, lässt sich manche Antwort ableiten.

Bisweilen stößt man jedoch auf Gesprächspartner, die dieser speziellen Sprache und Rede eigentlich nicht mächtig sind. Und es entspinnen sich trotzdem, wenn man sich darauf einlässt, außergewöhnliche Dialoge. Die Rede soll an dieser Stelle sein von Skulpturen der Bildhauerin Anne-Katrin Altwein.

Vor einigen Jahren verblüffte sie ihre Mitbe-werberInnen aus nah und fern, als sie den 1. Preis und damit einen hoch dotierten Auftrag im Rahmen eines Europäischen Skulpturenwettbewerb gewann. Sie überzeugte durch einen Entwurf mit Bezügen zur Mythologie der klassischen Antike. Das Resultat findet man heute im Außengelände des Jenaer Universitätsklinikum mit dem Titel Drei Schicksalsgöttinnen. Weitere Arbeiten findet man an solch unprätentiösen Orten wie einem Forschungszentrum und einer Brunnenanlage in Jenas Plattenbausiedlung und sie haben ebenso solch bedeutungsschwangere Titel wie: WerteGemeinschaft/ Menschliche Größe und Sibylle und Schrödingers Katze.

Sie sagt von sich selbst, dass sie “... immer auf der Suche nach dem Kreatürlichen…“ sei.  Dann artikuliert sie sich in einer Art poetischer Sprache in Briefen, Gedichten und Traktaten gekonnt über Sinn und Unsinn menschlichen Tuns, fabuliert über deren Vorlieben, schwingt sich mit ihren Überlegungen auf in den Himmel des Immateriellen und formuliert Thesen zum menschlichen Dasein in Sinndimensionen, die einen ungebeugten Glauben an Neugierde, an die menschliche Erfindungsgabe, an letztlich den Wunsch des Menschen nach Materialisierung all des Gedachten offenbaren.

Annes Interesse gilt jedoch Denkern ästhetisch anmutender Konstrukte, unabhängig vom Geschlecht. Zum Beispiel Spinoza. Für die Spinoza-Tagung Spinoza und die Kunst entwickelte sie zu dessen Ethik einen Animationsfilm aus am Computer mit der Mouse gezeichneten farbenreichen Arbeiten. Das wurde zu einem Film, der die vom Veranstalter vertretene These Spinoza als Wegbereiter der modernen Kunst eher nicht untermalte. Oder ihr Interesse gilt den Verhaltensregeln des spanischen Geistlichen Gracián, “…nichts setzt den Menschen mehr herab, als wenn er sehen lässt, dass er nur ein Mensch ist“  und so kunstvollen Konstrukten wie in den Niederschriften der Smaragdenen Felswand.

Da hat sich eine Künstlerin sichtbar mit Fragen menschlicher Existenz auseinander gesetzt. Was ist das Besondere daran? Frau und Philosophie? Die künstlerische Umsetzung? Der Standort der Figurengruppen? Nein, nicht der Einzelaspekt macht die Arbeiten so interessant, es ist eher der universelle Ansatz im künstlerischen Konzept von der Idee bis zur Umsetzung. Die Wissenschaft von der Weisheit wird uns gern männlich besetzt vermittelt. Erst der Frauenbewegung hat man seit den 70ern das Auffinden unbekannter Vor-Denkerinnen von der Antike bis zur Gegenwart als Mittel weiblicher Identitätsstiftung zu verdanken.

In den letzten Jahren hat die Art und Weise ihres Denkens in speziellen philosophischen Kategorien ihre  Entsprechung in der künstlerischen Umsetzung der Skulpturen gefunden. Das ist zunächst sichtbar in einem Anwachsen, ja Aufschießen der Formen und des behutsamen Umgangs mit dem Material. Beides lässt Rückschlüsse auf eine langjährige Beschäftigung mit dem wie sie es selbst nennt “Wesenhaften der Figur“ zu. Die verwendeten Materialien variieren nicht nur, wie häufig zuletzt verwendet, zwischen Bronze und Marmor. Doch besitzen diese beiden letztgenannten einen hohen Grad an Widerstandsfähigkeit und Härte gegenüber den Zeitverläufen und transformierten damit direkt die Idee eines Glaubens an die Beständigkeit menschlicher Ideen durch die Skulptur, wie die kunstgeschichtliche Rezeption von Antike bis Moderne bewiesen hat. Der Marmor erfährt bei ihr nur relativ spärliche Eingriffe, wohingegen die Bronzen von der Überbetonung bestimmter Körperpartien und einer gewissen Exaltiertheit im Ausdruck leben.

Die Schicksalsgöttinnen Klotho, Lachesis und Atroposwerden in der griechischen Mythologie „Moiren“ oder auch „Parzen“ in ihrer Entsprechung in der römischen Mythologie genannt. Ihre Figurengruppe verkörpert die drei Botschafterinnen von Schöpfung, Gestaltung und Zerstörung. Stehend, sitzend, hockend erinnern ihre Raum einnehmenden Figuren an Relikte antiker, altägyptischer und christlicher Kultur, die mit stoischem Gesichtsausdruck Raum und Zeit überdauern. Es scheint, als ob die Vergänglichkeit der Dinge und auf Materielles gerichtetes Begehren in den Hintergrund rücken soll, weil die dem Schicksal innewohnenden Unwägbarkeiten vereint werden könnten.

In „Sibylle und Schrödingers Katze“ tritt das Bewusstsein um eine Welt, das Antworten schuldig bleibt, noch mehr in den Vordergrund. Die in Wasserschwall geborene rätselhafte Prophetin Sibylle rekelt sich entspannt in der modernen Grotte. Sie lässt den Betrachter allein mit dem quantenphysikalischen Gedankenexperiment um Schrödingers Katze...

 

 

Aktualisiert: Anne-Katrin Altwein, 3 August, 2010